Es war einmal...
Auch storytechnisch hat man sich von Gothic 3 abgewandt und bevorzugt nun wieder die Erzählweise von dessen Vorgängerspielen. Das heißt, es gibt ein langes und umfangreiches erstes Kapitel, in dem man viel Zeit hat, alle Fraktionen kennen zu lernen und über die Insel zu streifen, sowie viele verschiedene Aufgaben erhält. Von der eigentlichen Geschichte des Spiels hingegen erfährt man nur die Grundlagen, soweit sie zum Verständnis der unterschiedlichen Fraktionen notwendig sind. Doch hat man sich erst einmal einer Gilde angeschlossen, wird man unweigerlich in die Story eintauchen und ihr nun weiter folgen. Leider bauen die weiteren Kapitel im Umfang immer weiter ab, so dass man im späteren Verlauf fast nur noch mit dem Hauptquest zu tun hat.
Abseits passiert auf Faranga dann kaum noch etwas. Ein Problem, mit dem 2001 schon Gothic 1 zu kämpfen hatte. Hinzu kommt, dass die Handlung der beiden letzten Kapitel durch größere Such-und-Sammelquests teilweise recht repetitiv erscheint und eher durch unterschiedliche Schauplätze als durch innovative Handlung Neuwert bietet.
Die einzelnen Fraktionen bieten jeweils eine eigene Sichtweise auf die Story, so dass sich das erneute Durchspielen von Risen bei einer anderen Fraktion durchaus lohnt. Besonders der Gegensatz zwischen Banditen und der Inquisition sorgt vor allem im ersten Spieldrittel für Abwechslung. Da die Handlung nur ein festes Ende aufweist, baut der Unterschied natürlich gegen Ende des Spiels sehr ab. Ein weiterer Grund für das erneute Spielen sind die Unterschiede der Fraktionen hinsichtlich der erlernbaren Skills. Wer einen bestimmten Charaktertypus spielen möchte, muss sich dazu auch einer bestimmten Fraktion anschließen.
Überhaupt sollte man Risen nicht zu sehr mit Spielen wie dem Witcher oder Mass Effect vergleichen, da Risen in einer offenen Welt stattfindet. Hier werden Spielertypen belohnt, die sich gerne alles selbst erarbeiten, die Welt eigenständig entdecken wollen und nicht auf ein ständiges An-die-Hand-nehmen warten, um sicher durch die Handlung geleitet zu werden. Allerdings wäre es trotzdem nicht verkehrt von Piranha Bytes gewesen, die Welt, die sie in Risen erschaffen haben, ein wenig besser zu erklären. Vieles bleibt im Dunkeln. Über Dinge wie die Herkunft und Organisation der Inquisition, die Vergangenheit der Insel, Sinn und Zweck des Magierordens, die Welt, in der Risen spielt oder auch nur den Namen der Insel, auf der das ganze Abenteuer stattfindet, erfährt man allerhöchstens etwas aus den begleitenden Werbematerialien zum Spiel, jedoch nichts im Spiel selber. Ingame-Dokumente wie zum Beispiel Bücher mit kurzen Texten, die ein Schlaglicht auf bestimmte Dinge werfen, gibt es so gut wie gar nicht, obwohl mit der Vulkanfestung eine geeignete Location für eine derartige Sammlung bereitgestanden hätte. Doch das mag vielen Spielern auch vollkommen schnuppe sein, solange sie selbst durch die Story des Spiels genug zu tun haben. Und dem ist so.
Auch in Risen gibt es wieder Charaktere, die dem Helden hilfreich unter die Arme greifen und ihn bei einigen Aufgaben unterstützen. Das ist durchaus angenehm und man nimmt die hin und wieder angebotene Begleitung gerne an. Jedoch nimmt das nicht die Ausmaße an wie in der Gothic-Serie, wo mit den allgegenwärtigen vier Freunden in fast jeder brenzligen Lage ein Deus ex machina bereit stand, um die Situation zu lösen. Es bleibt trotzdem zu hoffen, dass wenigstens einer oder zwei liebgewonnene Charaktere aus Risen in einem eventuellen Nachfolger wieder auftauchen. Fans würden sich freuen!